
Netzentwicklung - von herkömmlichen Netzwerken hin zu intelligenten, nachhaltigen Systemen
Intelligente Energienetze für die Zukunft
Intelligente, miteinander verbundene Energienetze sind das Rückgrat einer erfolgreichen Energiewende und ermöglichen die Integration und das Management von erneuerbaren Energiequellen. Da sich die Strom-, Gas- und Wärmenetze weiterentwickeln, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, stehen sie vor noch nie dagewesenen Herausforderungen in Bezug auf Digitalisierung und Standardisierung. Die Bewältigung dieser Komplexität ist von entscheidender Bedeutung, um die Dezentralisierung und Elektrifizierung der Energieversorgung zu unterstützen und eine zuverlässige und effiziente Bereitstellung von sauberer Energie zu gewährleisten. Durch die Nutzung fortschrittlicher Technologien und die Förderung der Zusammenarbeit können die Energienetze eine zentrale Rolle bei der Schaffung einer nachhaltigen Zukunft spielen.
Aktuelle Situation und Herausforderungen
Energienetze sind das Rückgrat unserer Gesellschaft und haben vielfältige Aufgaben. Grundsätzlich muss zwischen Strom-, Gas- und Wärmenetzen unterschieden werden. Alle drei Netztypen lassen sich unterteilen in solche, die eine relativ große Zahl von Verbrauchern in einem kleinen Umkreis versorgen (z. B. Strom- und Gasverteilnetze, Nahwärmenetze), und solche, die Strom, Gas oder Wärme über eine größere Entfernung transportieren (z. B. Strom- und Gastransportnetze, Fernwärmenetze). Darüber hinaus werden unsere Gesellschaften in zunehmendem Maße zusätzliche Netze für Nebenprodukte benötigen, die bei der Energieerzeugung oder Energienutzung anfallen, wie z. B. Kohlendioxid. Das Zusammenspiel all dieser Infrastrukturen wird es ermöglichen, den Ausbau der Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, das Bewältigen der schwankenden Einspeisung und die Versorgung von Industrie und Haushalten mit CO2-freier Energie zu gewährleisten.
Die Stromnetze stehen auf allen Spannungsebenen und in fast allen Regionen vor einer enormen Wachstumsherausforderung. Um die steigende Nachfrage vor allem nach Elektromobilität und elektrischer Heizung zu decken, muss der weltweite Stromverbrauch im nächsten Jahrzehnt um 20 % schneller wachsen als im vorangegangenen Jahrzehnt. Die Dezentralisierung, Demokratisierung und Elektrifizierung der Energieversorgung führt zu einem enormen Wachstum von Mikrogeneratoren und Mikroverbrauchern. Die Integration von Millionen dieser Systeme in die bestehenden Verteilungsnetze erfordert ein noch nie dagewesenes Maß an Voraussicht, Digitalisierung und Standardisierung.
Die Gasnetze stehen am Scheideweg
Das Gasnetz der EU besteht aus über 200 000 km Fernleitungen und 2 000 000 km Verteilungsnetzen. Einst der Energieretter des letzten Jahrhunderts in Europa, sind die Gasnetze heute das am schwierigsten zu dekarbonisierende Netz in weiten Regionen. Die Produktion, Nutzung und Verteilung der grünen Moleküle wird in Bezug auf Menge, Preis und Transportwege kontrovers diskutiert. Während die Transportnetze für energieintensive Industrien über 2050 hinaus eine Schlüsselrolle spielen sollen, sind viele Expertinnen und Experten der Meinung, dass die Verteilnetze aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung der Endverbraucher, z. B. der Heizung, kurz vor dem Aussterben stehen.
Das europäische Stromübertragungsnetz

Während in den letzten Jahrzehnten die Strom- und Gasnetze die Diskussion beherrschten, erkennen nun immer mehr Beteiligte, dass die Dekarbonisierung der Gesellschaft viel eher eine Wärmewende als eine Mobilitäts- und Energiewende ist. Heute sind 67 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der EU an Fernwärme- und Fernkältelösungen angeschlossen, und die jüngste Energiekrise hat zu einem weiteren Anstieg geführt. Allerdings entfallen 31 % des Primärenergiebedarfs in der EU auf die Raumheizung und -kühlung sowie die Warmwasserversorgung, wobei über 75 % davon aus fossilen Brennstoffen stammen. Die Netzbetreiber müssen daher überdenken, wie sie die neue Rolle der Wärmenetze neben dem Wachstum der Stromnetze und der Umgestaltung der Gasnetze vorantreiben können.
Ein Blick in die Zukunft
In den kommenden Jahren werden die Energienetzbetreiber mehr tun müssen, als nur Probleme durch Investitionen zu lösen. Angesichts knapper Ressourcen, steigender Preise und unsicherer Planungsannahmen müssen die Herausforderungen im Netzbereich bewältigt werden, indem die Infrastruktur intelligenter gebaut und widerstandsfähiger gegen natürliche und vom Menschen verursachte Bedrohungen gemacht wird.
Während das gesamte bestehende globale Stromnetz bis 2040 erneuert werden muss (ca. 80 Mio. km), müssen die Energienetzbetreiber zunehmend Herausforderungen im Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Management von Netzengpässen in Echtzeit, der optimalen Nutzung von Flexibilität und der Verbesserung des Risikomanagements in Bezug auf die variable Erzeugung erneuerbarer Energien bewältigen. Diese Maßnahmen umfassen Flexibilitätslösungen auf der Nachfrageseite, Flexibilität auf der Angebotsseite oder Energiespeicherlösungen. Es wird jedoch erwartet, dass allein in Europa in den nächsten 10 bis 15 Jahren mehr als 1 Billion EUR in Energienetze investiert werden.
Erforderliche Investitionen in ausgewählte europäische Energieinfrastrukturen (in Mrd. €)

Strategische, flexible Lösungen für eine umfassende Netzplanung
Die Schaffung eines ganzheitlichen Ansatzes für Planung, Bau und Betrieb bei gleichzeitiger Beibehaltung maximaler Flexibilität ist die Herausforderung des kommenden Jahrzehnts. Die Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang ein alter Hut. Im Laufe der Zeit werden rollierende Prognosen von der makroökonomischen Ebene bis hinunter zur baulichen Ebene immer notwendiger, um dezentrale Systementwicklungen, die für die Netzplanung wichtig sind, vorauszusehen. Angesichts dieser Komplexität wird es immer wichtiger, alle relevanten Akteure in Investitionsentscheidungen rund um Stromerzeugungs- und -nachfragezentren einzubeziehen, um ausreichende Netzkapazitäten zu gewährleisten.
Weltweit stehen 3.000 Gigawatt (GW) an Projekten für erneuerbare Energien in der Warteschlange für den Netzanschluss. Durch Verzögerungen bei den Netzinvestitionen rückt das 1,5°C-Ziel für die globale Erwärmung noch weiter außer Reichweite. Außerdem hat sich Europa vorgenommen, bis 2030 einen Verbundgrad von 15 % der installierten Stromerzeugungskapazität in Europa zu erreichen. Beim Bau dieser Netze wird sich die angespannte Versorgungslage voraussichtlich nicht entspannen, weder was die personellen noch was die technischen Ressourcen angeht. Eine intelligent gesteuerte, langfristige Beschaffungsstrategie wird daher entscheidend sein.
Für das European Hydrogen Backbone (EHB) müssen mehr als 11.000 km Gaspipelines von Grund auf neu gebaut werden, was Investitionen in Höhe von 80-143 Mrd. EUR erfordert. Bis 2030 könnte die CO2-Infrastruktur 6.700-7.300 km umfassen und bis 2050 auf 15.000-19.000 km erweitert werden. Die geschätzten Errichtungskosten liegen zwischen 6,5 und 19,5 Mrd. EUR bis 2030 und steigen bis 2050 auf 9,3 bis 23,1 Mrd. EUR.
Ist die Infrastruktur erst einmal geschaffen, wird die Optimierung der Energienetze und ihr reibungsloser und sicherer Betrieb zunehmend über komplexe, softwaregestützte und selbstlernende Plattformen funktionieren. Gleichzeitig ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Verbesserung von Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen ein wesentlicher Bestandteil in diesem Kontext des steigenden Drucks.
Für die Netzbetreiber bringt die Zukunft also mehr Ungewissheit, größere Knappheit, komplexere Herausforderungen und mit lernender Software Instrumente, die heute noch nicht in jedem Unternehmen zum Alltag gehören.
Erkenntnisse auf einen Blick
- Regulatorische Rahmenbedingungen
Schaffung klarer regulatorischer Rahmenbedingungen, da Netzbetreiber verlässliche, langfristige und zukunftsorientierte Investitionssicherheit für Strom-, Gas- und Wärmenetze benötigen
- Bürokratie
Weniger Bürokratie für die Netzbetreiber, um die Genehmigungsverfahren für größere netzbezogene Investitionen im Elektrizitätssektor zu verkürzen, die sich aus den zunehmenden Anschlussanforderungen für dezentrale erneuerbare Energieprojekte ergeben
- Zusammenarbeit
Entwicklung eines hohen Maßes an sozialen Interaktionen zwischen den Akteuren, da der Klimawandel komplex ist, insbesondere in fein strukturierten Verteilungsnetzen
- Digitalisierung
Einsatz von softwaregesteuerten Prozessabläufen und künstlicher Intelligenz, um Skalierung, Automatisierung und Standardisierung von Entscheidungen zu ermöglichen, die millionenfach wiederholt werden müssen
- Energieunternehmen
Sollten so schnell wie möglich auf die Welle aufspringen, indem sie stark in ihre Kompetenzen investieren, um Unsicherheiten, Veränderungen und eine massiv wachsende Zahl von Anfragen erfolgreich zu bewältigen
- Industrielle Unternehmen
Frühzeitige Klärung der Entwicklungs- und Produktionsbedürfnisse industrieller Unternehmen mit ihren Kunden, Stärkung ihrer langfristigen Beschaffungskompetenz und Weiterentwicklung softwareagnostischer Geräte
- Regierungen
Gewährleistung eines soliden Investitionsrahmens mit langfristigen Anreizen wie Steuervergünstigungen, Subventionen oder Kreditbürgschaften und Abbau bürokratischer Hürden durch Straffung der Genehmigungsverfahren für Netzbetreiber
